6000 Bluter in Deutschland!

08.05.2023

Hämophilie - im Volksmund Bluterkrankheit - ist eine seltene Form der Blutungsneigung, bei der die Blutgerinnung gestört ist.

Für den, der die "Tigers Tübingen" in der "Paul Horn-Arena" mit 3000 Sitzplätzen sehen will, sind 6000 Besucher viel; aber es ist wenig, unter dem Gesichtspunkt der Anzahl von Menschen die hierzulande insgesamt leben. Mit einer Auftretenswahrscheinlichkeit von 1:5000 gehört Hämophilie zu den seltenen Erkrankungen. Es kann schwierig sein, sich mit der Diagnose auseinanderzusetzen und zu akzeptieren, dass dies eine Krankheit ist, die nur wenige andere Menschen auf der Welt haben. Wie so oft, gilt auch hier das Motto: Zusammen stärker! Die Vernetzung und der Zusammenhalt durch die Anbindung an ein Hämophilie-Zentrum, macht aus jedem seltenen Einzelfall den Teil einer starken Gruppe.

Wie bei vielen anderen seltenen Erkrankungen, gibt es wenig Forschung und Behandlungsmöglichkeiten für Hämophilie-Patienten, wodurch möglicherweise das Gefühl aufkommt, auf sich selbst gestellt zu sein. Wenn schon Kontaktsport, wie Boxen oder Rugby nicht erlaubt sind, wie verhalte ich mich dann bei einem Fahradunfall mit Platzwunde? Das Leben mit Hämophilie ist eine Herausforderung, die Betroffene täglich bewältigen, und betrifft zirka 6000 in Deutschland lebende Personen. Etwa die Hälfte davon leidet an einer schweren Form. Ohne Behandlung bluten die so genannten "Bluter" selbst bei kleineren Verletzungen auffallend heftig oder lange. Es passiert zwar nur sehr selten, dass Menschen mit Hämophilie infolge einer Verletzung verbluten; doch die übermäßigen Blutungen schädigen auf Dauer verschiedene Organe.

In erster Linie ist das männliche Geschlecht betroffen: Durch eine Veränderung auf dem X-Chromosom wird zu wenig Gerinnungsfaktor gebildet. Daher kommen Blutungen nicht in der gewohnten Zeit zum Stillstand. Hämatome so genannte »Blaue Flecke« entstehen häufig und werden übermäßig groß. Die Wundheilung durch Blutgerinnung verzögert sich. In der Regel ist nur einer von zirka 13 Gerinnungsfaktoren betroffen. Bei der Hämophilie A ist es der Gerinnungsfaktor VIII (acht), bei der Hämophilie B der Gerinnungsfaktor IX (neun). Die meisten Menschen mit Bluterkrankheit sind von der Hämophilie A betroffen. Generell kann gesagt werden: Je weniger funktionstüchtige Gerinnungsfaktoren vorhanden sind, desto stärker ausgeprägt ist das Krankheitsbild. Mehr sichtbare Symptome weisen somit auf einen höheren Schweregrad der Bluterkrankheit hin. Es ist sicher nachvollziehbar, dass der Schweregrad auch entscheidender Faktor dafür ist, wie die Therapie im Einzelfall verläuft.

Die Bluterkrankheit gilt auch heute noch als nicht heilbar. Genetisch bedingt, besteht sie von Geburt an und verläuft chronisch. Besonders bei schwerer Hämophilie treten oft wiederholt Einblutungen in die Gelenke auf. Dadurch kann sich das betroffene Gelenk verformen, vorzeitig verschleißen, allmählich versteifen und eine Arthrose entwickeln. In schlimmen Fällen sind Menschen mit fortgeschrittener Arthrose nicht mehr in der Lage, Arme und Beine ausreichend zu bewegen und benötigen in der Folge einen Rollstuhl. Das klingt zunächst wenig ermunternd, aber es gibt Therapien, welche die Auswirkungen der Hämophilie, beziehungsweise des Mangels an Gerinnungsfaktoren, ausgleichen. Damit haben Menschen mit Hämophilie heute in der Regel die gleiche Lebenserwartung wie Gesunde.

Ein Meilenstein ist die Zulassung der Europäischen Union für das erste Gentherapeutikum für Erwachsene mit schwerer Hämophilie A (Valoctocogene Roxaparvovec) im Jahr 2022. Es soll Blutungen verhindern oder verringern. Über eine Infusion wird der genetische Bauplan für den fehlenden Gerinnungsfaktor (VIII) in den Patienten kopiert. Träger der Kopie ist ein Adeno-assoziiertes Virus (AAV), das sich im menschlichen Körper nicht vermehrt. Es transportiert das Gen für Faktor VIII in einige Leberzellen, wo es abgelesen wird. Derartige Erkenntnisse werden durch intensive und spezialisierte Forschung möglich.

Wir am ZKT haben uns mit unseren Forschungs-Aktivitäten ganz besonders diesem Thema verpflichtet. Um die Versorgung mit den notwendigen Arzneimitteln sicherzustellen und die Erforschung dieser seltenen Erkrankungen auch im Hinblick auf weitere Therapiemöglichkeiten zu unterstützen, sammeln auch wir Patientendaten für das Deutsche Hämophilieregister (DHR). Durch die Vernetzung mit anderen Instituten, wie beispielsweise dem Paul-Ehrlich-Institut oder Patientenverbänden, ist ein intensiver Austausch gewährleistet, von dem unsere Patienten durch den Fortschritt an Erkenntnissen unmittelbar profitieren. 

In unserer Hämophilie-Ambulanz begegnet Ihnen ein Team von medizinischen Fachkräften mit Fachkenntnissen in Transfusionsmedizin, Hämatologie, Genetik und anderen verwandten Bereichen.

Als spezialisierte medizinische Einrichtung, die eine umfassende Versorgung von Menschen mit Hämophilie und anderen Blutungsstörungen bietet, erstellt das Team aus Ärztinnen, Ärzten und Hämophilie-Assistentinnen für jeden speziellen Fall den individuell angepassten Therapieplan.

Ergreifen Sie die Chance - immer mittwochs von 8 bis 12 Uhr - in unserer Gerinnungssprechstunde der Hämophilie-Ambulanz des ZKT Tübingen, mehr über sich und Ihre Krankheit zu erfahren: +49 7071 29 81698

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